Wie weit reicht Moral und Mitgefühl?

Ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, allein durch seinen Willen könne man einen alten reichen Mann in China umbringen. Nach dieser Tat könne man sein Leben lang im Luxus leben.

 

Was würdest Du tun?

 

Tun wir es nicht schon bereits?






Kant und die Naturwissenschaften

„Es ist nämlich ganz gewiß, daß wir die organisierten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklären können; und zwar so gewiß, daß man dreist sagen kann, es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, daß noch dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde; sondern man muß diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen.“ (Kritik der Urteilskraft §75, 337)






Husserls Erbe – Die pluralistische Gesellschaft

Kant geht von einem einheitlichen Verstand aus. Aufgrund dessen ist nur ein Gesetz, eine Moral, eine wahre Ordnung denkbar. Die Welt möge sich dem Einzelnen unterschiedlich zeigen, dennoch gibt es nur eine Welt, die mit dem allen gleich gegebenen Verstand bis zu einer gewissen Grenze erschlossen werden kann. Das entspricht auch den neuen Staatsformen zur Zeit der Aufklärung und den Grundlagen der französischen Revolution. Menschenrechte als für alle gleich geltende Rechte, die aus jedem Verstand, abzuleiten sind.

 

Für Husserl hingegen existiert keine Welt da draußen ohne das jemand zuschaut, die Welt betrachtet, sie sich vorstellt. Kant hätte zwar nie behauptet, das jemand die Welt da draußen so wie sie wirklich ist, also als Ding an sich erschließen könne, aber für ihn steht fest, draußen gibt es eine Welt, nur ich bin nicht in der Lage diese in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen. Nicht so Husserl: Etwas ist erst (existiert erst) dadurch, dass es vorgestellt wird. Ein Wald in dem sich keiner befindet, und von dem keiner weiß, existiert nicht, da er nicht vorgestellt wird. Und da jeder aufgrund von Umwelt (Kultur) etwas anderes vorstellt muss es folglich eine Vielzahl von Welten geben. Für jedes Individuum sogar mehrere Heimwelten (Beruf, Familie), die sich mitunter überlappen, dennoch ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen.

 

Das Husserlsche Denken spiegelt sich in ungeahnter starker Weise in unserem heutigen Denken wider. Husserl war es der die heute geläufigen Begriffe wie Lebenswelt, Fremdwelt und Heimwelt eingeführt hat. Der Satz „Der versteht das nicht, der lebt in einer anderen Welt“ ist jedem geläufig und verständlich, jedoch erst seit knapp 100 Jahren denkbar! Unsere Gesellschaft hat sich entfernt vom starren Festhalten von Sichtweisen – von der richtigen Sichtweise (besonders in der Geschichte, versucht kein Historiker zu beschreiben „Wie es wirklich war“). Wir entwickeln uns hin zu pluralistischen Sichtweisen aus verschiedenen Perspektiven – aus verschiedenen Lebenswelten. Husserl hilft uns weg von Schwarz-Weiß Richtersprüchen hin zu mediierten Lösungen in denen mehrere Sichtweisen als wahr akzeptiert werden. (Nov. 2010)






Was sind wir?

Wir sind die Summe all dessen was vor uns geschah.
All dessen was unter unseren Augen getan wurde.
All dessen was uns angetan wurde.

Wir sind jeder Mensch und jedes Ding,
dessen Dasein das unsere beeinflusste,
oder von unserem beeinflusste wurde.

Wir sind alles was geschieht nachdem wir nicht mehr sind.
Und was nicht geschähe, wenn wir nicht gekommen wären.

(Salman Rushdie)






Frage

“Konnte eine Pflanze in Freiheit so wachsen, daß ein Rohrstock daraus wurde?

(Sten Nadolny – Die Entdeckung der Langsamkeit)